Jetzt sitze ich hier und zähle die Stunden und Minuten rückwärts.
Ich weiß, sobald sich die Zeiger der Uhr den nachmittäglichen Stunden nähern, werden es die Sekunden sein, die ich beständig von meiner imaginären “Wann bin ich endlich wieder bei Dir? – Liste” streiche…
Jeden Freitag das gleiche Spiel. Alle sieben Tage die gleiche Prozedur.
Der Wecker klingelt und ich schaffe es kaum, all das zu erledigen, was noch ansteht, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit mache, die ich freitags noch schlechter ertrage als den Rest der Woche.
Die Lektionen fliegen an mir vorbei und aus den Mündern der SchülerInnen dringt lediglich ein tosendes Rauschen in mein Ohr, das mir inhaltlich so gar nichts sagt. Meine Gedanken haben sich schon mit dem letzten Klingeln des Weckers am Morgen auf die Reise gemacht und sind bei Dir, bevor Du auch nur die Augen geöffnet hast.
Mein Körper und ich müssen es noch ein wenig länger aushalten. Mindestens zwölf Stunden, wenn nicht sogar mehr.
Dass die Wahrnehmung der Zeit immer von den Umständen abhängt, in denen wir uns aktuell befinden, ist ja ein offenes Geheimnis. Aber ich könnte schwören, dass sich die Zeiteinheiten am Freitag gegen mich verschworen haben.
Sie treffen sich um 5.00 am Morgen in meinem Schlafzimmer und grinsen mich frech an, während ich nur mühsam meine Augen öffne und nach dem Lichtschalter taste.
Aber anstatt sich zu mir zu gesellen und Tempo aufzunehmen, trotten sie durch den Morgen und schleichen um mich herum. Kaum denke ich, eine von ihnen erwischt zu haben, entzieht sie sich mir und reckt, streckt und dehnt sich genüsslich bis ich der Verzweiflung nah bin…
Eine Stunde hat 60 Minuten? Denkste. Freitags hat eine Stunde mindestens 120 Minuten, vielleicht sogar 180. Je mehr ich versuche, die Stunden zu packen und mit mir durch den Tag zu zerren, desto mehr verweigern sie sich mir. Sie holen sich sogar noch Verstärkung und plötzlich sehe ich mich nicht nur dem zähen Haufen Zeit gegenüber, sondern auch noch der Sehnsucht, dem Vermissen und dem Verlangen.
Na großartig…Angesichts meiner neuen Begleitung, werde ich ganz fahrig und vermag es kaum, das Naheliegende zu bewältigen und mich auf den großen Augenblick vorzubereiten, der in weite Ferne gerückt zu sein scheint.
Wie ein aufgescheuchtes Huhn hetze ich durch meine Wohnung, aus dem Haus, durch die Straßen, in Trambahnen, Züge, durch die Berge, ins Schulhaus. Springe von einem Klassenzimmer zum nächsten und arbeite wie eine Verrückte. Erschöpft lehne ich mich zurück, werfe einen Blick auf die Uhr und muss erkennen, dass nicht einmal zwei von den mich begleitenden Stunden vergangen sind. Die trödeln munter vor sich hin, reden sich um Kopf und Kragen und amüsieren sich über meine Ungeduld, die nun von mir Besitz ergriffen hat.
Dem Wahnsinn nah, spüre ich einen warmen Luftzug in meinem Nacken und drehe mich langsam um. Dort steht sie: beruhigend, liebend und voller Zuversicht. Die Vorfreude. Sie ist es nun, die mich sanft in den Arm und später an die Hand nimmt. Sie flüstert mir aufmunternde Worte ins Ohr und zeigt mir die Bilder all dessen, was mich ab heute Abend wieder erwartet, wenn ich endlich Zuhause und bei Dir bin.
An der Seite der Vorfreude, die jede Faser meines Seins durchtränkt, geben auch die Stunden ihr makaberes Spiel auf und gönnen mir eine Verschnaufpause…
Jetzt endlich legt sich eine freudige Ruhe über mich, umhüllt mich und trägt mich durch den Tag.
Bald ist Abend und dann endlich erblicken meine Augen wieder einzig das, wofür sie geschaffen wurden: DICH!
Ich kann es kaum erwarten mein Herz!!!
Herrlich geschrieben!! Danke.