Jetzt endlich ist es soweit. Der Tag X steht quasi vor der Tür und mich trennen nur noch wenige Tage von meinem neuen Leben. Einem Leben, von dem wir seit einem Jahr geträumt haben. Ein Leben, für das wir zwölf Monate gearbeitet und gekämpft haben. Für das wir alles investierten, was uns zur Verfügung stand und noch einiges darüber hinaus. In wenigen Tagen beginnt also unser gemeinsamer Traum und wir sind somit an unserem ersten Etappenziel angelangt…
Eigentlich ist alles, wie es sein soll. Wäre da nicht dieses schizophrene Gefühl tief in mir drin, das mich schier zerreisst. Ich habe nämlich die Rechnung ohne den berühmten Wirt gemacht.
Meine Liebe zu Dir hat mir die Sicht verklärt. Hat verhindert, dass ich wirklich sehe, was da auf mich zukommt. Ich habe schlichtweg nicht wahrgenommen, dass unser Traum auch seine Opfer einfordert. Dass dieses neue Leben bedingt, ein anderes zu beenden.
Ich habe den Mund sehr voll genommen und am Ende selbst geglaubt, dass mir der Abschied leicht fallen würde. Weit gefehlt.
Das Gefühl, in das mich dieses Land vier Jahre gehüllt hat, fordert seinen Tribut. Man bekommt keine Heimat, ohne am Ende dafür zu zahlen.
Die Schweiz hat mich mit offenen Armen empfangen und mir ein Zuhause angeboten, das ich dankend angenommen habe.
Hier habe ich mir zum ersten Mal etwas aufgebaut, dass ich wirklich LEBEN nennen würde. Ich habe trotz vieler fordernder Momente und schier aussichtsloser Situationen, nicht wie sonst, die Flinte ins Korn geworfen. Ich habe mich nicht einschüchtern lassen und habe gekämpft – für mich und das Leben, das ich hier leben wollte.
Nach einem Jahr war ich hier zuhause und ließ mich nieder. Mit allem, was dazu gehörte. Ich knüpfte Kontakte und fand wahre Freunde.
Ich war erfüllt und glücklich hier. Konnte mich beruflich und privat verwirklichen.
Ich lebte einen Traum und war zufrieden.
Dies alles aufzugeben, kann nicht leicht sein. Darf es nicht. Das haben weder dieses Land noch all die wundervollen Menschen verdient, die meine Zeit hier zu dem machten, was sie am Ende war.
Als ich Dich traf, stand für mich fest, dass ich mein Leben mit Dir teilen würde. Du bist der Mensch, an dessen Seite ich alt werden will.
Als Du mich Anfang Dezember des vergangenen Jahres fragtest, ob ich mit Dir leben und zu Dir kommen wollen würde, habe ich keine Sekunde gezögert.
Ein Leben mit Dir war und ist die Erfüllung all dessen, was ich früher nicht einmal zu hoffen gewagt hätte.
Keine Frage also, dass ich all das, was mein Leben bisher ausmachte, zurücklassen und mit Dir etwas Neues beginnen werde.
Auch wenn ein Jahr für Außenstehende eine recht kurze Zeit ist, zog sich dieses eine Jahr für uns teilweise unerträglich in die Länge.
Wir schleppten uns von Wochenende zu Wochenende. Wir retteten uns von einem Urlaub zum nächsten und zählten die Tage.
Jetzt ist es soweit. Am Freitag vor einem Jahr trafen wir uns zum ersten Mal. Genau ein Jahr später machen wir uns erneut auf die Reise. Du wirst mich zur gleichen Zeit vom gleichen Zug in Freiburg abholen wie vor einem Jahr.
Es wird zugleich Anfang und Ende sein.
Der Anfang unseres Lebens. Das Ende der ewigen Abschiede und Trennungen.
Aber es wird noch weitere Abschiede geben. Den von meinem Zuhause. Meinen Freunden. Meinem Lebensinhalt der letzten vier Jahre.
Genau diese Abschiede gestalten sich jetzt sehr viel schwerer und schmerzhafter als ich angenommen hatte.
Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass ich derart verwurzelt bin in diesem Land und Leben.
Ich bin innerlich zerrissen. Zwischen der unbändigen Freude, bald jeden Tag neben Dir, meiner wundervollen Frau, aufwachen und einschlafen zu dürfen und der Tatsache, wie schmerzlich ich euch, meine lieben Freunde, vermissen werde.
Dieser Tage bin ich dünnhäutig, hypersensibel und gereizt. Ich weiss nicht, wie man Abschied nimmt und ich weiss nicht, ob, wann und wie ich all meine Lieben künftig sehen werde. Ob wir den Kontakt aufrechterhalten können.
Ich habe Angst, dass wir an Bedeutung verlieren. Dass es uns nicht mehr geben wird, weil ich euch verlasse.
Es gibt so unendlich viele schöne Erinnerungen an einzigartige Momente mit jedem einzelnen von euch.
Nie zuvor hatte ich Freunde wie euch. Ich trage euch in meinem Herzen und vermisse euch schon jetzt. Euch zu verlassen, ist mit der schwerste Schritt von all den Schritten, die gerade zu gehen sind.
Ich danke euch, jedem einzelnen, von Herzen, dass ihr in mir gesehen habt, was ihr nunmal gesehen habt. Dass ihr mir so wunderbare Freunde ward und hoffentlich auch künftig sein werdet.
In meinem Herzen nehme ich euch mit. In mein neues Leben.
Ihr werdet mir ganz furchtbar fehlen.
Meine Arbeit hingegen werde ich kaum vermissen. Gewisse Menschen haben es mir in den letzten Monaten sehr leicht gemacht, sie hinter mir zu lassen. Aber die tollen Kids, die ich in den vergangenen Jahren kennen lernen durfte, werde ich vermissen. Sie haben mir stets den Spiegel vorgehalten. Mich gefordert, gereizt und bereichert.
Auch euch werde ich mitnehmen. In meinen Erinnerungen.
In den kommenden Tagen werden viele kleine Abschiede folgen. Am liebsten würde ich mich davor drücken. Mich verkriechen und darauf warten, dass alles vorbei ist. Aber das kann und will ich nicht. Diesmal nicht.
Dieses Land und diese Menschen haben einen aufrichtigen Abschied verdient. Und ich auch.
Am Ende der nächsten Tage steht eine Reise. Eine Reise ins Ungewisse. Denn auch wenn Du mich begleitest und der größte Teil meines neuen Lebens sein wirst, ist alles andere ungewiss – der Job, das Umfeld und auch ich werde neu sein.
Ich freue mich auf alles, was da kommt. Bin gespannt und voller Vorfreude auf all die Herausforderungen, die mein neues Leben für mich bereit hält.
Ich kann mich beruflich verwirklichen und neu erfinden.
Ich bekomme die Chance, mir auf allen erdenklichen Ebenen etwas aufzubauen.
Und Du wirst da sein. Du und ich – das ist ein Versprechen! Ein Versprechen an uns und unsere Träume.
Es wird wundervoll. Das ist es längst.
Unsere Liebe und Zuversicht tragen mich durch die schwere Zeit der Abschiede. Manövrieren mich durch diesen grossen Zwiespalt zwischen Vorfreude und Schmerz. Zwischen Angst und Vertrauen.
Ich bin froh, dass ich auch Angst und Respekt habe vor dem, was da vor mir, vor uns liegt.
Nur so bleibe ich aufmerksam und nehme bewusst Abschied.
Löse mich sachte von allem, was mich und mein Leben in den letzten Jahren ausmachte.
Ich nehme dankbar Abschied, lasse den Tränen freien Lauf und begebe mich allmählich auf den Weg.
Zu Dir und uns.
Ohne Dich hätte ich wohl kaum den Mut aufgebracht, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Mich beruflich so sehr herauszufordern. Ohne Dich und all die Liebe, die Du mir schenkst, hätte ich nicht die Kraft, mich neu zu erfinden.
Egal wie schwer so mancher Schritt auch sein mag – ich habe nie an meiner, unserer Entscheidung gezweifelt. Habe sie nie bereut.
Ich liebe Dich – mit allem, was ich bin.
Danke. Für Dich. Für uns.
Danke für dieses neue Leben, das Du uns ermöglicht hast.
Danke für die Abschiede, die ich nur mit Dir ertragen kann.
You are my all!!!