Neujahr. Der Tag der guten Vorsätze.
Ich habe dieses Brauchtum ja schon vor geraumer Zeit aufgegeben. Denn mir geht es wie fast allen – ich ziehe ohnehin kaum bis gar nichts von alledem durch. Was sich aber durchaus bewährt hat, sind Wünsche für das kommende Jahr und ein Resümee des vergangenen Jahres. Normalerweise setze ich mich noch in der Silvesternacht hin und lasse meine Gedanken auf’s Papier purzeln. Da ich gestern jedoch verhindert war, muss das heute nachgeholt werden…
Mein Leben neigt ja ohnehin dazu, mir immer mal wieder die Luft zum Atmen zu nehmen und mich vor Situationen und Entscheidungen zu stellen, die mich schier in den Wahnsinn treiben. Ich glaube, 2012 hat dem allen die Krone aufgesetzt. Letztes Jahr blieb kein Stein auf dem Anderen. Alles wurde anders, vieles neu.
Es gab Entscheidungen zu treffen, die ganz sicher mein künftiges Leben derart verändern würden, dass selbst ich zwei oder drei Mal nachdenken musste.
Worüber ich nicht auch nur eine Sekunde nachgedacht habe, war das Verlassen der Schweiz. Obwohl das so nicht ganz richtig ist. Als meine Traumfrau mich fragte, ob ich zu ihr ziehe, war ich mir hundertprozentig sicher und sagte freudestrahlend zu. Aber irgendwie scheine ich ganz tief in mir drin gehofft zu haben, dass das auch gehen würde, ohne meine Heimat und meine Freunde verlassen zu müssen. Manchmal bin ich eben ein Träumer…
Die Entscheidung war also schnell getroffen. Die Umsetzung verlangte mir einiges ab.
Neben der Tatsache, dass ich einen neuen Job brauchte, war vor allem der Umstand, dass auch ein komplett neues Leben auf mich warten würde, die Erkenntnis, die über allem schwebte.
Auch wenn immer wieder rosabrillenmäßig behauptet wird, dass Liebe alle Grenzen überwindet und die Liebenden alles schaffen lässt. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass die Liebe manchmal auch auf eine ziemlich harte Probe gestellt wird.
Immer wieder plagte ich mich mit Selbstzweifeln und warf mir vor, nicht genug zu lieben, da mir der bevorstehende Verlust meiner Freunde so zu schaffen machte. Ich redete mir immer wieder ein, dass die Frau an meiner Seite doch so wichtig sein müsse, dass alles andere daneben verblasste.
Aber so war es nicht und so ist es auch bis heute nicht. Ich denke, dass das gut ist. Und normal und vor allem gesund.
Die Schweiz war der erste Ort in meinem Leben, an dem ich mich zuhause fühlte. Ich war angekommen. Voll und ganz. Ich hatte einen tollen Job und eine kleine Wohnung, an der noch immer mein Herz hängt. Was die Schweiz aber zu dem schönsten Ort meiner Vorstellungskraft machte, waren die Menschen, die ich meine Lieben nennen durfte. Ich war mitten drin in einem Netzwerk der tollsten Menschen, die ich je getroffen habe. Anfangs hielt ich bewusst Ausschau nach solchen Menschen und nach einem Jahr des Suchens wollte ich gerade aufgeben, als die erste Person auftauchte, die mich wirklich und wahrhaftig berührte. Danach schien alles sehr schnell zu gehen. Immer mehr Menschen kamen. Es entstanden tiefe und bedeutsame Freundschaften, die mich durch mein Leben trugen. Ich fühlte mich nie mehr allein und wusste, dass immer jemand da wäre, wenn ich Hilfe oder Trost brauchte.
Ganz so viel Trost brauchte ich nicht, denn ich war glücklich. Das Leben in der Schweiz, so wie es war, machte mich glücklich. Es schien mir an nichts zu fehlen.
Doch dann kam sie. Quasi aus dem Nichts und mit einer Wucht, die noch heute spürbar ist. So sehr ich dieses Gefühl auch genossen habe – es machte mir auch Angst. Ahnte ich doch, dass ich, um mit ihr leben zu können, meine geliebte Heimat würde verlassen müssen.
Auch wenn nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen war und wir etliche Hürden nehmen mussten, war mir vom ersten Tag an klar, dass dies die Frau ist, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Was für eine herrliche Klischeefloskel. Aber ich kann nur sagen, dass dem noch immer so ist. Trotz oder gerade wegen all dessen, was wir durchgemacht haben.
Sie ist einfach der Mensch, der mir das breiteste Lächeln in mein Gesicht und in mein Herz zaubert. Sie macht mich glücklich und bringt mich um den Verstand. Manchmal sogar gleichzeitig. Sie inspiriert mich und erweitert meinen Horizont. Sie hält mir gnadenlos den Spiegel vor und treibt mich unwissentlich zu Höchstleistungen an. Sie ist all das, was ich nicht bin. Sie ist meine große Liebe und meine beste Freundin. Mit ihr kann ich lachen und hin und wieder auch mal weinen. Sie stellt meine Welt auf den Kopf. Tag für Tag. Und sie entschädigt mich für die Verluste, die ich durch meinen Umzug nach Deutschland ertragen muss.
Wenn sie nicht wäre, hätte ich diesen Neustart in Deutschland nicht gepackt. Ich habe mir Vieles sehr viel einfacher vorgestellt und doch ereilten mich all die Katastrophen, die ich nicht mal in meinen kühnsten Träumen erahnt hätte.
Der neue Job war weg, wir hockten wochenlang aufeinander und gingen uns gehörig auf die Nerven. Ich zweifelte an meinem Können und verzweifelte am nicht vorhandenen Arbeitsmarkt. Ich ließ mich von einem negativen Kreislauf gefangen nehmen und hatte weder die Kraft noch die Muße, mich ihm zu entziehen. Ich wollte nur noch zurück. In mein Land. Zu meinen Freunden und in mein Leben.
In Deutschland schien alles schief zu laufen – privat und beruflich.
Am Ende bin ich jedoch eine Kämpferin und auch wenn ich es nur mit halbem Herzen tat, bewarb ich mich weiterhin. Auch und vor allem auf Stellen, die ich nie auch nur annähernd würde antreten wollen. Ich verabschiedete mich allmählich von meinem beruflichen Lebenstraum und orientierte mich neu. Ich traf Entscheidungen und Menschen, die meine Lieben aus der Schweiz zwar nicht ersetzen können, aber die mein Leben auf ihre Art bereicherten.
Ich befreite mich von meinen steifen Vorstellungen, rieb mir die Augen und erblickte die ein oder andere Möglichkeit. Ich ließ Altes los und öffnete mich dem Neuen. Entscheidungen wurden getroffen und Unangenehmes brachte mich zum Lernen.
Heute kann ich sagen, dass die letzten sechs Monate zwar die unangenehmsten und anstrengensden meines Lebens waren, aber zugleich auch die, die mir den größten Entwicklungsschub ermöglicht haben.
Ich bin nicht nur kilometertechnisch ganz weit weg von meinem alten, geliebten Leben. Ich bin auch sonst ganz weit weg von alledem, was mich und mein Leben bisher ausgemacht haben.
Ich habe meine Heimat verloren, meinen Job und den ein oder anderen Freund. Das schmerzt. Noch immer und immer wieder.
Ich habe ein neues Zuhause bekommen. Eines, in dem ich nicht mehr allein bin. Wo jemand ist, der mich liebt, unterstützt und manchmal auch einfach nur erträgt. Ich habe einen neuen Job, der mich fordert. Der mich umdenken lässt und einfach nur glücklich macht. Ich habe Freunde gefunden. Jene, mit denen ich bestimmt Pferde stehlen kann. Ich weiß inzwischen, wer meine wahren Freunde sind und bin unendlich glücklich, dass es Menschen gibt, die die Distanz einfach ignorieren und mit denen es noch immer so ist, als würde ich in Bern wohnen. Ich habe, wieder einmal, ein bißchen mehr zu mir gefunden.
Mein Leben ist nicht so, wie es mir vorgestellt habe, als ich in der Schweiz meine Koffer packte.
Ich bin zwar immer noch die Gleiche und doch ganz anders.
Ich bin glücklich und ich bin zufrieden. Ich nehme die Möglichkeiten wahr, die sich mir in meinem neuen Leben bieten und schaffe es immer mehr, mein altes und mein neues Leben miteinander in Einklang zu bringen.
Große Wünsche habe ich nicht für 2013 und wenn dann sind es ganz persönliche, die nicht ins Netz gehören.
Ich nenne selten und ungern Namen, aber ihr wisst hoffentlich alle, was ihr mir bedeutet. Meine Freunde aus der Schweiz. Die besten der Welt!!!
Und Du, mein Engel, sollst wissen, dass ich es NIE bereut habe, alles hinter mir gelassen zu haben. DU bist es wert. WIR sind es.
Ich freue mich auf 2013 und auf alle noch kommenden Jahre, denn ich weiß, dass DU da sein wirst. DU und IHR.
Danke für euch. Danke für Dich.
ICH LIEBE DICH und ich vermisse euch. Jeden Tag.