Zu lieben bedeutet immer auch, sich auf eine Reise zu begeben. Wir brechen vom sicheren Ufer unseres bisherigen Seins auf und nehmen Kurs auf das Glück verheißende Land oder auf die Insel der Liebe. Etwas uns Unbekanntes lockt uns vom Vertrauten weg und zieht uns magisch an. Auf einmal werden wir mutig, packen unsere sieben Sachen zusammen und werfen uns den Rucksack über die Schulter. Wir machen uns auf den Weg, buchen ein one-way-ticket und fiebern dieser Reise ins Ungewisse entgegen.
Die Reisevorbereitungen werden quasi nebenbei im Schnelldurchlauf erledigt, denn wirklich geplant war diese Reise ja nicht. Urlaub haben wir auch nicht beantragt, aber in diesem Fall nehmen wir uns einfach, was wir wollen, was wir brauchen und in diesem Augenblick brauchen wir genau DIESE Reise.
Wie lange sie dauern wird, wissen wir nicht. Wollen wir auch gar nicht. Wohin es geht? Keine Ahnung. Sei’s drum. Am Ende kommt es ja weniger auf die Umgebung als viel mehr auf den Menschen an, mit dem man dort weilt.
So etwas wie Heimatgefühl habe ich nie empfunden. Ein Zuhause kannte ich nicht. Zumindest keines, das sich auf einen Ort bezog. Doch dann schlug ich meine Zelte vor mehr als drei Jahren in der Schweiz auf. Nach den ersten, kräftezehrenden Kämpfen um Positionen und Richtungen, sind mir genau die richtigen Menschen begegnet. All jene, die ich heute meine Freunde nennen darf. Die Menschen, die mir gezeigt haben, dass auch ich noch eine Heimat, ein Zuhause finden kann. In Bern wurde ich fündig und sesshaft. Hier entdeckte ich mein kleines, persönliches Paradies und ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich all das jemals gegen etwas anderes eintauschen wollen würde. Ich habe nicht einmal in Erwägung gezogen, die Stadt oder gar den Kanton zu wechseln. Geschweige denn das Land.
Ich trug Scheuklappen, die alles ausblendeten, was sich ausserhalb der Berner Stadtgrenze befand und auch wenn ich zeitweise in Luxemburg und Griechenland weilte, war mein Herz doch immer in meiner geliebten Stadt und bei meinen Lieben “zuhause”.
Doch genau dort, in Athen, bist Du in der Weihnachtszeit in mein Leben getreten. Du hast keine großen Worte gemacht. Ganz im Gegenteil. Du strahltest genau das aus, was auch ich ausstrahlte – Zufriedenheit. Wir hatten beide unseren Platz gefunden im Leben. Zumindest räumlich. Und doch zogen wir uns an und wollten es uns nicht eingestehen.
Ich war es letztlich, die die Brücken zu Dir, die gerade erst dabei waren, zu entstehen, abbrach. Ich wollte sie nicht beschreiten. Wollte nicht weg aus der Schweiz und schon gar nicht nach Deutschland zurück…
Du warst vielleicht nicht erfreut, aber Du hast meine Entscheidung hingenommen, ohne zu wissen, was es mich gekostet hat, sie zu treffen.
Auf einmal befiel mich Fernweh. Während andere Menschen in Reisekatalogen blättern, habe ich virtuell Deine Nähe gesucht und mich in Small Talk geübt, der mir nie so recht gelingen will. Immer wieder habe ich mich über ein mögliches Reiseziel, Dich, erkundigt und habe mich am Ende doch wieder auf meine Reiserücktrittsversicherung berufen, die es mir gestattete, kurz vorher alles über den Haufen zu werfen. Irgendwann hast Du Dich, glaube ich, gar nicht mehr gefragt, warum ich stets von den großen Reisen des Lebens spreche und am Ende nicht einmal den Mut habe, die Stadtgrenze zu überschreiten.
Ich hingegen verdrängte Dich und das unbekannte Land in den Hintergrund meines Bewusstseins und lenkte mich mit regionalen Ausflügen ab. Glücklich wurde ich dabei nicht.
Irgendwie musst Du das gespürt haben, denn urplötzlich hast Du Präsenz markiert und Dich dieses Mal nicht abschütteln lassen. Mit Deinem ganzen Sein hast Du mich neugierig gemacht und meine Reiselust, jenseits der Verlustangst meiner neuen Heimat gegenüber, geweckt.
Ganz unaufdringlich hast Du mir die Vorzüge einer Reise dargelegt und mir beinah schon simple Bilder gemalt von dem, was ich zu entdecken mich bisher nicht traute.
Noch immer suchte ich Ausreden, Ausflüchte. Doch dann musste ich selbst lachen über meine Worte und warf kurzerhand alles über den Haufen und habe Dir mutig meine, unsere Reisepläne unterbreitet. Du hast Dich gefreut und warst doch überrumpelt. Innerhalb weniger Tage machten wir uns auf. Von Herzklopfen begleitet, einer Ohnmacht nah, fuhren wir los. Du im Auto, ich mit dem Zug. Jede für sich ein Nervenbündel.
Als wir uns in der Mitte trafen, traf es uns beide direkt ins Herz.
Wir nahmen einander an die Hand und gingen ziellos unserer Wege, die wir erst noch finden mussten und immer wieder auf’s Neue finden müssen.
Seit mehr als drei Monaten sind wir nun unterwegs. Sind wir auf Weltreise. Du besuchst mich in meiner Welt, ich Dich in Deiner. Dazwischen unsere eigene, in der wir leben und Kraft schöpfen.
Langweilig wird uns nie. Wie auch. Hinter jeder Ecke verbirgt sich etwas Unerwartetes. Jede Weggabelung bietet uns neue Möglichkeiten, aus denen wir wählen dürfen.
Manchmal machen uns diese unendlichen Möglichkeiten aber auch Angst. Das Glück und die Liebe verunsichern uns. Ungläubig warten wir förmlich darauf, dass wir eines Besseren belehrt werden.
Hin und wieder treten wir auch absichtlich ein paar Steine los, um vor dem Geröll zu flüchten und einen Grund haben, die Reise aufgrund ihrer Gefahr zu beenden.
Die ersten rosa Wolken haben sich verzogen und der Himmel des Alltags bricht auf. Nun müssen wir die Landschaft, die darunter zum Vorschein kommt, bereisen und erkunden.
Es hat schon geblitzt und gedonnert. Anfangs hockten wir verschreckt in der Ecke und erst allmählich erkannten wir die Chancen, die sich in jedem Unwetter verbargen.
Wir können versuchen, uns einzureden, dass es Zuhause doch am Schönsten ist und man nicht in die Welt hinaus muss, um glücklich zu sein.
Doch unsere Liebe täuschen wir nicht. Unsere Herzen auch nicht.
Wir bereisen die Welt. Unsere Welt. Gemeinsam. So lange bis wir einen gemeinsamen Hafen gefunden haben, in dem wir unser Haus errichten und uns niederlassen können…
Ihre Worte vermögen, wovon ich ein Leben lang geträumt habe. Ein Leben lang habe ich mir gewünscht fähig zu sein, sie annehmen und empfangen zu können. unverstellte Berührung.