Dieser Sommer, der sich ja schon vor Wochen dem Ende neigte, hatte es in sich. Er brachte die Liebe und die Sehnsucht. Aber auch Druck, Forderungen und Ansprüche.
In diesem Sommer veränderte sich mein ganzes Leben. Es zeigte mir so überraschend ein neues Gesicht, dass ich es kaum zu erkennen vermochte. Nichts war mehr, wie es einmal war und nichts hatte mehr Bestand.
Selbst der vertraute Fluss meiner Arbeit verwandelte sich in einen reissenden Strom, der mich mehr unter Wasser zog, als dass er mir Zeit zum Atmen liess.
Dachte ich bis zum Sommer noch, endlich angekommen zu sein, in meiner Stadt, meiner Wohnung, bei meiner Arbeit und mir, riss mich der Sommer aus meinem vertrauten Gedankenkarussell und spie mich an einem Ort aus, der mir nach einiger Betrachtung nicht sonderlich gut gefiel.
Wann immer ich mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte, trug mich meine Arbeit, die stets meine Erfüllung war, sicher durch die Turbulenzen und setze mich sanft am seichten Ufer ab.
Das änderte sich in diesem Sommer. Alles verschob sich und auf einmal bot mir nicht mehr die Arbeit die wohl bekannte Sicherheit, sondern Du und unsere Liebe.
Diese Liebe war neu und ist es auch heute noch. Immer wieder. Du hingegen warst mir nie fremd. Obwohl unser beider Wege sich nie gekreuzt hatten, warst Du mir vertraut und als Du endlich Teil meines Lebens wurdest, war das wie ein natürlicher Vorgang, auf den ich nur gewartet hatte. Plötzlich war ich komplett. Vollkommen. Nichts fehlte mehr. Du warst da. Und wie…
Normalerweise ist für eine junge Liebe vorgesehen, dass sich zunächst selbst genügt und sich voller Wonne hingibt. Es geht um Genuss, Unbeschwertheit und Glück.
Nicht bei uns. Das Leben war der Meinung, dass unsere Liebe vom ersten Tag an stark genug und nahezu unzerstörbar sei. Aus diesem Grund hat es uns schwere Bürden auferlegt und wir mussten kämpfen und uns beweisen. Permanent. Luft zum Verschnaufen blieb kaum.
Als der grösste Wellengang vorüber war, lehnten wir uns ein wenig erschöpft, aber stolz und glücklich zurück.
Die Ruhe währte nicht lange, denn die Situation, in der ich arbeitete und wirkte, spitzte sich zu. Alle und alles zerrte an mir. Vor allem an meinen Nerven. Ich wurde dünnhäutig und hypersensibel. Eigentlich unvorstellbar, dass ich NOCH sensibler werden könnte, aber doch, es ging.
Meine Nerven waren stets zum Zerreissen gespannt. Der Druck wuchs beständig. Ich hielt es kaum noch aus. Brodelte innerlich. Kochte und erschöpfte immer mehr.
Du ahntest von alledem nichts. Wie auch? Nie vertraute ich mich Dir an oder bat gar um Hilfe. Nicht weil Du mir diese nicht hättest geben können. Ganz im Gegenteil. Ich bin einfach nicht fähig, um Hilfe zu bitten. Will immer stark sein und die Gebende sein. Habe es nie gelernt, um etwas zu bitten oder gar Unterstützung zu erfahren.
Du dachtest, dass alles in bester Ordnung sei und ich alles im Griff hätte. Weit gefehlt.
Ahnungslos gingst Du mit mir durchs Leben und bist mehr als nur erschrocken zur Seite gewichen, als ich urplötzlich, ohne jede Vorwarnung, explodierte.
Es reichte ein einziger Satz von Dir, vielleicht auch nur ein Wort und schon sprühte ich Funken.
Über Dir ergoss sich ein wahrer Lavastrom aus Worten, Ausrufen und Vorwürfen. Fassungslos hast Du alles über Dich ergehen lassen. Nicht nur einmal.
Ich zeterte und wetterte, was das Zeug hielt. Liess nicht von Dir ab und merkte meistens gar nicht, was ich da redete oder um was es überhaupt ging. Ich geriet in Rage und blieb erschöpft zurück.
Dies geschah besonders in den letzten Wochen immer wieder. Du bist förmlich um mich herum geschlichen und hast jedes einzelne Wort sorgfältig abgewogen. Du wolltest mich unter keinen Umständen reizen, musstest Du doch davon ausgehen, dass meine Ausbrüche ihren Ursprung in Dir hatten. Deine Vorsicht verärgerte mich. Ich war aber nicht sauer auf Dich, sondern auf mich.
Dennoch fand ich keinen Zugang – weder zu mir noch zu den Ursachen dessen, was da mit mir geschah…
Anfang dieser Woche begannen sich meine Augen zu öffnen. Ein paar Millimeter weit. Ich konnte entfernte Schemen erkennen. Umrisse. Aber noch war alles verschwommen. Ich begann zu erkennen.
Doch bevor ich das, was sich da undeutlich abzeichnete, aufklären konnte, brachte mich ein eigentlich unwichtiger Umstand, eine alltägliche Begebenheit, erneut aus dem Gleichgewicht und es erfolgte eine Explosion sondergleichen.
Noch während die letzten Lavabrocken aus mir herausgepresst wurden, klärte sich mein Blick und mit Schrecken begann ich zu sehen, was dem Ganzen WIRKLICH zugrunde lag.
Erschöpft sank ich in die Kissen und fiel für zwei Stunden in einen tiefen Schlaf. Dann war ich hellwach und geläutert.
Ich habe nicht nur gesehen, sondern auch verstanden, was in den letzten Wochen mit mir los war.
Dir habe ich das meiste schon sagen, erklären können.
Doch eigentlich braucht es keine Worte mehr. Gesagt wurde genug.
Die Quintessenz des Ganzen ist so simpel wie naheliegend. Die Umsetzung jedoch wird einiges von mir fordern.
Ich muss lernen, mir meine Schwächen einzugestehen und diese Dir gegenüber in Worte zu fassen. Ich will lernen, dass ich jetzt endlich, wo es Dich gibt, nicht mehr IMMER stark sein muss. Dass ich schwach sein darf und kann. Ich möchte lernen, Dich um Hilfe zu bitten und anerkennen, dass es nicht nötig ist, dass ich immer alles schaffe und beständig gebe. Du hilfst mir zu verstehen, dass es okay ist, auch mal etwas anzunehmen.
Du hältst mir, wieder einmal, den Spiegel vor und nimmst mich tröstend in die Arme, wenn mir nicht gefällt, was ich sehe.
Du bist ein Wunder. Mein Wunder.
Danke, dass Du da bist. Danke, dass Du bleibst.
Verzeih mir, was Du wegen mir aushalten musstest.
Es wird besser werden. Denn ich habe verstanden…